November 30, 2024

VAR – wenn Ergebnismanipulationen überhand nehmen

Keine drei Spieltage ist die neue Bundesliga-Saison alt, und schon wird wieder heftig über den VAR und Schiedsrichter-Entscheidungen diskutiert. Schon beim Eröffnungsspiel Borussia Mönchengladbach gegen Bayern München wurden den Gladbachern zwei mögliche Elfmeter nicht gegeben. In Dortmund wären diese für die Heimmannschaft garantiert gepfiffen worden, in München sowieso. Aber Mönchengladbach und der VAR-Keller in Köln. Da scheint die Stadtrivalität vor der Kellertür nicht halt zu machen. Eine Schande.

Wenn es darum geht, die Bundesliga-Lieblinge Bayern und Dortmund mit Schiedsrichtergeschenken zu versehen, war der DFB immer schon großzügig. Allerdings drohte die international aufkeimende Forderung nach dem Videobeweis, das schöne System der Ergebnismanipulation zu gefährden. Beim Fußball funktioniert der Videobeweis auf eine ganz eigene Weise, die es in dieser Form bei keinem anderen Sport gibt.

Eine benachteiligte Mannschaft kann gerne den Videobeweis fordern, das spielt keine Rolle. Der VAR agiert beim Fußball selbstständig oder sollte man besser sagen willkürlich? Wann immer es die Gelegenheit gibt, das Spiel nach bestimmten Vorgaben zu beeinflussen wird dies getan. Eine Niederlage des FC Bayern am ersten Spieltag? Unerwünscht. Daher reagiert der VAR auf zwei Fouls an Thuram im Bayern-Strafraum nicht. Andersrum hätte die gleiche Situation nur mit einem Foul an einen Bayernspieler im Bayernstrafraum zu 100 Prozent zu einem Pfiff geführt. Auch an der Mittellinie wäre keines der beiden Fouls ungeahndet geblieben. Foul sollte aber Foul sein, egal, wo es geschieht. Der Schiedsrichter nimmt dadurch sehr aktiv Einfluss auf das Spielergebnis, macht die Bundesliga damit zum Gurkensport.

Am zweiten Spieltag gab es einen Elfmeter für Gladbach, weil Lainer auf der Strafraumgrenze angeblich gefoult wurde. Fakt ist aber, dass der Leverkusener Verteidiger Bakker zuvor außerhalb des Strafraum mit einer akrobatischen Grätsche den Ball gespielt hat. Früher mal ein eindeutiges Kriterium dafür, dass kein Foul gespielt wurde. In dem Bestreben sich noch in den Strafraum zu retten, um dort spektakulär zu fallen, machte Lainer eine Bewegung, die zur Folge hatte, dass er vom anderen Bein des Leverkuseners unten am rechten Sprunggelenk getroffen wurde. Eine mehr als unglückliche Aktion, aber auch nicht mehr. Ärgerlich für Gladbach: Lainer verletzte sich am Sprunggelenk, aber nicht am rechten vom Leverkusener getroffenen, sondern auf der linken Seite, die nicht getroffen wurde. Extrem unglücklich gelaufen.

Vor Jahren ist das auch schon einmal Robert Lewandowski passiert, dass er sich beim Versuch, einen Elfmeter zu schinden, verletzt hat. Trotz sauberer Ballattacke erhielt Bakker Gelb und nach dem Einschreiten des VAR gab es einen Elfer. Für einen Fußballer nur schwer nachzuvollziehen. Von den Bundesliga-Schiedsrichtern waren aber nur wenige selber Fußballer. Das mag schon einiges erklären.

Sprudelnde Quellen für Strafstöße können auch Handspiele im Strafraum sein. Beliebt beim Aberkennen von Toren sind auch immer Handspiele im Vorwege. Was ein strafbares Handspiel ist, wird daher in jeder Saison neu festgelegt. Dabei war es früher einmal ganz einfach: Angelegter Arm bedeutet kein Handspiel. In allen anderen Fällen ist es ein strafbares Handspiel.

Was hat es nicht schon alles an Regelauslegungen gegeben. Unabsichtliches Handspiel war mal straffrei und nur die absichtliche Bewegung zum Ball wurde abgepfiffen. In der guten alten Zeit des ehrlichen Fußballs ohne Wettanbieter gab es mal für ein absichtliches Handspiel eine gelbe Karte. Das gibt es heute kaum noch. Auf der Torlinie zur Ballabwehr gibt es aber schon noch Rot.  Immerhin.

Dann schaute man auf die Vergrößerung der Körperfläche. Was für ein Käse. Bei Fernschüssen nehmen bis heute die Abwehrspieler die Arme hinten auf den Rücken, damit genau das nicht passiert. Fußballregeln sollten Entscheidungshilfen sein und nicht dazu führen, dass Spieler Vermeidungsbewegungen ausführen, dass heißt in ihrem Tun beschränkt werden.

Am dritten Spieltag sorgten dann drei Tore mit Handspiel im Vorfeld für Aufregung. Nur eines zählte. Für strittige Fragen bedienen sich TV-, Online- und Print-Medien neuerdings einer Gruppe, die sich „Collinas Erben“ nennen. Besser werden die Erklärungen offensichtlicher Unsinnsentscheidungen dadurch nicht. Aber ein cleverer Schachzug sich nach dem legendären italienischen Glatzkopf zu benennen, der für viele der bis heute beste Fußballschiedsrichter war.

Bei der ersten Szene ging es um ein Tor des Kölners Ljubicic, dem der Ball beim Abwehrversuch des Gegners hoch an die Brust sprang. In der Laufbewegung bewegt man nun mal die Arme. Wenn nur eine minimale Berührung vorliegt, die den Ball weder stoppt, noch in eine andere Richtung ablenkt, sollte man diese Berührung nicht ahnden. Wenn die Hand dabei eng an der Brust liegt, der Ball statt von der Hand sonst von der Brust abprallte, sollte man die Szene weiterlaufen lassen. Das war jahrzehntelang im Fußball auch die gängige Regel. Nicht so in diesem Fall. Der VAR verhinderte die Anerkennung. Wohl gemerkt: Keiner der gegnerischen Spieler hatte protestiert. Wenn für den Gegner in einer Szene alles okay ist, sollte der VAR nicht unbedingt einschreiten. Beim Fußball ist aber alles anders, weil die Mannschaften nur bedingt den Ausgang eines Spieles bestimmen sollen.

In Stuttgart sprang nach einem Zweikampf der Ball dem Spieler Mavropanos ebenfalls an die Hand. Hier hing der Arm aber herunter. Wäre es nicht zum Handkontakt gekommen, hätte Mavropanos den Ball verloren und die Angriffsszene wäre vorbei gewesen. Hier wird jetzt von den „Regelexperten“ argumentiert, dass das Handspiel nicht unmittelbar vor dem Torschuss erfolgte, sondern Mavropanos den Ball vorher noch einmal für einen Doppelpass abspielte, bevor er das Tor erzielte.

Beim Spiel der Leverkusener in Augsburg bewegte Aranguiz, während er in einen Zweikampf ging, seinen rechten Arm zum Körper, damit er bei einem möglich Ballkontakt einen angelegten Arm hat und dieser die Körperfläche nicht vergrößert. Wie wir schon erläutert haben, inzwischen eine gängige, instinktiv ausgeführte Aktion aufgrund der früheren Körperflächenvergrößerungsregel. Natürlich bewegte sich der Spieler inklusive Arm in Richtung Ball. Aber der Arm war eng angelegt am Körper. In der guten alten Zeit wäre das niemals ein Handspiel gewesen. Kurios geht es dann mit der Regelauslegung weiter. Der Ball wurde dann zu Schick gespielt, dessen Angriffsversuch aber geblockt wurde. Immerhin kam er an der linken Torraumgrenze den Ball wieder unter Kontrolle und konnte einen Rückpass in Richtung Elfmeterpunkt spielen, wo er dann von Diaby eingenetzt wurde.

Hier schritt der VAR ein, weil Aranguiz ein strafbares Handspiel begangen haben soll. Das ist schon fragwürdig. Aber war das noch unmittelbar vor der Erzielung des Tores? In Stuttgart war bereits ein Doppelpass genug, um daraus keine unmittelbare Aktion zu machen. Hier gab es einen abgebrochenen Angriffsversuch und erst eine zweite Aktion führte dazu, dass ein dritter Spieler das Tor erzielte.

Beim Abseits wird übrigens auch kurios schnell eine neue Spielsituation eingeläutet. Auch da genügt ein Doppelpass oder eine Ballstafette über drei Stationen, um aus einen strafbaren Abseits eine neue Situation zu machen. In Stuttgart wurde beim Handspiel ebenso argumentiert. Warum nicht auch im Falle des Leverkusener Tors? Wohl gemerkt, der Arm von Aranguiz war angelegt, vergrößerte nicht die Körperfläche. In Stuttgart wäre ohne Handspiel das Mitnehmen des Balles für Mavropanos gar nicht möglich gewesen.

Früher wäre diese drei Handspiel-Fälle genau anders entschieden worden. Der Treffer, der zählte war der einzige irreguläre. Was die Herrschaft vom DFB und die Regelvermurkser nicht vergessen sollten: Viele Fußballfans sind schon älter, haben unter Umständen selber noch gespielt und wissen, wie man solche Szenen fair zu beurteilen hat. Aktuell wird jeder Spieltag von unfairen Unsinnsentscheidungen getrübt. Die Frage ist, wie lange die Fans sich das noch gefallen lassen, bis sie einfach weg bleiben.