Im Winter wollte Gesundheitsminister Jens Spahn zügig Schutzmasken an Risikogruppen verteilen. Das Programm wurde zu einer gewaltigen Finanzspritze für Apotheker – gegen die Empfehlungen des eigenen Ministeriums.
Grundsätzlich war es kein schönes Jahr für den Apotheker Simon Krivec aus Moers, wie es die Süddeutsche Zeitung formulierte. Erst kam die Pandemie und wurden dadurch Erkältungsmittel zu Ladenhütern. Doch Mitte Dezember 2020 wendete sich das Blatt zum Guten. Da bekam Krivec überraschend 120 000 Euro überwiesen. Das Geld stammte von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und sollte Krivec – so wie alle Apotheker im Land – dazu animieren kostenlose FFP2-Masken an Covid-Risikopatienten zu verteilen. „Bloß: Krivec brauchte das viele Geld dafür überhaupt nicht.“
Viele Apotheker können ihr Glück bis heute nicht fassen.
Die Corona-Krise kennt nicht nur Verlierer, die in finanzielle Nöte geraten sind. Begünstigt werden aber häufig Branchen, die eine solche Finanzspritze gar nicht benötigt hätten. Dazu gehören offensichtlich deutsche Apotheken, wie eine Recherche der öffentlich-rechtlichen Sender NDR und WDR in Zusammenarbeit mit der SZ ergab.
Dem Bericht zufolge haben Pharmazeuten aufgrund eines überteuerten Deals wesentlich mehr Geld von der Bundesregierung erhalten, als für die Beschaffung der Corona-Schutzmasken nötig gewesen wäre. Und so erfolgte eine umständlich umgesetzte Ausgabe von FFP2-Masken durch Apotheken, obwohl gleiche Produkte im Einzelhandel wesentlich günstiger angeboten wurden.
Laut Recherchen hat die Bundesregierung insgesamt eine Summe von 491,4 Millionen Euro an den Apothekerverband überwiesen, der das Geld wiederum an die Apotheken weiterverteilt habe. Den Betrag gesteigert hat dabei die Tatsache, dass es unabhängig von der Maskenanzahl einen festen Betrag aus Bundesmitteln gab – im Schnitt über 25.000 Euro pro Apotheke.
FFP2-Schutzmasken: Gesundheitsminister Jens Spahn großzügig zu Apotheken
Das Problem: Das Gesundheitsministerium unter Jens Spahn kalkulierte mit einem Kaufpreis von 6 Euro pro Maske. Apotheken haben in der Regel die Masken für 1,00 Euro bis 1,50 Euro eingekauft. Kein Wunder also, wenn sich Apotheken so äußern, dass man „sich dumm und dämlich verdient“ hat.
Wie außerdem recherchiert wurde, hat sich das Fachreferat im Gesundheitsministerium demnach früh gegen die Verteilaktion ausgesprochen und den Politiker gewarnt, mit dem Hinweis, es würden „gravierende Finanzwirkungen“ drohen. Zudem gab es den Hinweis, viele Anspruchsberechtigte könnten sich die preiswerten Corona-Schutzmasken selbst leisten. Spahn jedoch ignorierte das Votum seiner Experten und blieb bei seiner Entscheidung der bundesweiten Gratis-Ausgabe.
Doch das Gesundheitsministerium hat offensichtlich die Entscheidung nicht alleine getroffen. Vielmehr wurde die externe Beratungsgesellschaft Ernst & Young eingebunden. Bei der „Preisprobenstichanalyse“, die von den Wirtschaftsprüfern E&Y erstellt wurden, tauchte als Option auch der Erwerb von FFP2-Schutzmasken beim Großhandel mit 1,22 Euro pro Stück auf. Warum das Gesundheitsministerium dennoch mit 6 Euro pro Maske rechnete, bleibt ein Mysterium. Das Gesundheitsministerium erklärte später, dass man 4,29 Euro als Preis zugrunde gelegt hat und dann noch Arbeitskosten der Apotheker pauschal hinzugefügt habe. Plausibel klingt das nicht.
Private Interessen?
Auch im Hinblick auf die unlängst aufgedeckte Masken-Affäre, bei der sich Unionsabgeordnete bereicherten, drängt sich die Frage auf, wie es um die Verbindungen zwischen dem Gesundheitsminister und bestimmten Lobbygruppen bestellt ist. Waren sie ausschlaggebend für das Ignorieren der Ratschläge, das dem Steuerzahler hohe Kosten verursachte und den Apotheken unverhältnismäßig hohe Gewinne bescherte?
Schon Ende November äußerte sich der deutsche Apothekerverband verwundert über den hohen Maskenpreis. Außerdem soll die Drogeriekette dm dem Gesundheitsministerium angeblich angeboten haben, als Ausgabestelle für FFP2-Schutzmasken zu dienen. Dafür hätte laut Geschäftsführer Christoph Werner der Bund bzw. der Steuerzahler gerade mal einen Euro pro Stück auf den Tisch legen müssen. Bestätigt wurde das vom Gesundheitsministerium bisher nicht, wäre aber auch in der Tat eine peinliche um nicht zu sagen skandalöse Geschichte.