April 24, 2024

Der Verlust der Verhältnismäßigkeit

„Zu Tode geschützt ist auch gestorben“, so titulierte es die NZZ unlängst, als es um die Bewertung des Umgangs mit der Corona-Krise in Deutschland ging. Bei der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin kam danach auch wenig überraschend nur ein „weiter so“ heraus. Der Lockdown bleibt bis zum 28. März bestehen und wird bis dahin etlichen Einzelhändlern und Gastronomiebetrieben das Genick brechen. So viel ist jetzt schon sicher.

Immerhin will man einem Teil der Schüler wieder Unterricht zubilligen. Hämischen Applaus gab es schon für die Öffnung der Friseurbetriebe seit dem 01. März 2021. Ob ein geschnittener Pony den Politikern aber künftig mehr Durchblick verschaffen wird, ist fraglich. Ab sofort sind private Treffen mit 5 Personen aus zwei bis vier Haushalten möglich. Woher die „bis vier“ kommen? Getrennt lebende Paare werden als ein Haushalt gewertet. Nachvollziehbar.

Kuriose Lockerungen

Leider weiß man bisher in punkto Infektionsgeschehen nur eines sicher: Private Zusammenkünfte sind kritisch und haben sich nachweislich als Hotspots herausgestellt. Schön, wenn das wieder erlaubt ist. Dagegen gibt es bisher keine Studien und damit verlässliche Aussagen zum Ansteckungsrisiko in Restaurants. Natürlich besteht bei vielen Menschen das Bedürfnis, sich wieder mit Freunden zu treffen. Aber warum darf bzw. muss das in nicht kontrollierbaren privaten Räumen stattfinden? Warum nicht in Restaurants? Die haben ein ausgefeiltes Hygienekonzept, das Raumvolumen ist deutlich größer und zudem wird vielerorts die Luft gereinigt. Abstände sind dort auch viel besser einzuhalten. Zudem dürfte sich die Gastronomie über die Öffnung und die Umsätze freuen.

Aber Gastronomie und Hotellerie müssen wahrscheinlich bis zum Sommer warten, bis also das Wetter für die extrem niedrigen Inzidenzwerte gesorgt hat, die von der Angsthasenkonferenz willkürlich festgelegt wurden. Zwar weicht man auch hier schon ein wenig von der Linie ab, plausibler und nachvollziehbarer ist das aber dadurch nicht geworden.

Als es im Februar mit den Inzidenzwerten deutlich runter ging und man sich dramatisch der 50er Marke näherte, hat die Politik, die offenbar kein Interesse an Lockerungen hat, die magische Grenze auf 35 reduziert. Ein Inzidenzwert, der im Winter völlig illusorisch ist. Nach dem sich die Inzidenz jetzt aber bei 65 eingependelt hat, wäre das kategorische Festhalten an dieser Marke so etwas wie politischer Selbstmord, weil 35 aktuell der numerische Ausdruck für absolute Hoffnungslosigkeit ist. Für private Bürger gleichermaßen wie für weite Teile des Mittelstands.

Schon jetzt macht sich Unmut breit. Die Leute sind es leid, dauerhaft gegängelt und eingeschränkt zu werden. Während im letzten Jahr ein harter Hund noch mit steigenden Sympathiewerten rechnen konnte, scheint dies auf Dauer kein erfolgreiches Konzept zu sein. Das darf man dabei nicht vergessen: einer der einstmals größten Unsympathen der Republik, der fränkische Gott des Freistaats Bayern, hat es mit seiner harten Haltung bis zum aussichtsreichsten Kanzlerkandidaten gebracht. Jetzt bröckeln aber auch seine Werte, da wird es Zeit die Riemen in die Hand zu nehmen, und nach Kräften zurück zu rudern ohne aber völlig sein Gesicht zu verlieren.

Wähler nicht für dumm verkaufen

Man sollte Wähler nicht für dümmer halten, als man selber ist. Dauerhaft lassen sich eklatante Fehler nicht vertuschen. Schon seit Anbeginn der Corona-Krise stellen kluge Köpfe die Frage der Verhältnismäßigkeit. Nach 12 Monaten stellen sich diese Frage immer mehr Bürger.

Von den ca. 83 Millionen in Deutschland lebenden Menschen, haben sich im Verlauf der letzten 12 Monate 2,9 Prozent vermeintlich infiziert. Das „vermeintlich“ beruht auf der Annahme, dass einmal fälschlicher Weise als positiv getestete Personen bei einer negativen Nachtestung sicher nicht aus der Statistik genommen wurden. Außerdem wurde publik, dass auch nicht infizierte Verstorbene in Pflegeeinrichtungen, in denen es Corona-Infektionen gab, in die Statistik aufgenommen wurden, also auch bei den durch oder mit Corona Verstorbenen.

Verstorben, das sind seit Erklärung der Pandemie 0,082 Prozent der Bevölkerung. Einer von 1.220 Menschen in diesem Land, ist an oder mit Corona gestorben. Da ist es wahrscheinlicher, beim Lotto 4 richtige Zahlen zu tippen. Kommt nicht oft vor, ist aber offenbar genug Grund, für Millionen von Menschen, Lotto zu spielen.

Die Aussichten auf den ganz großen Gewinn sind dabei ungleich schlechter, was die Grafik hier zeigt. Aber auch das hindert keinen der Spieler, sein Geld weiterhin durch den Kamin der staatlich geförderten Glücksspielmafia zu jagen, was die Frage der Verhältnismäßigkeit aufwirft. Trotz geringster Gewinnaussichten wird Lotto gespielt und trotz geringster Infektionsrisiken, greift die Corona-Panik um sich.

Würde man jemanden sagen, im Einkaufszentrum gibt es 1220 Parkplätze, aber nur noch einer ist frei, würde sich niemand in Bewegung setzen, weil die Aussichten, genau diesen letzten Parkplatz zu ergattern, für sehr gering, wahrscheinlich zu gering, erachtet wird. Die Panik, an Corona zu versterben ist aber riesengroß. Warum nur? Der „Philosoph“ Nico Semsrott sagte einmal, „Freude ist nur ein Mangel an Information“. Panik aber auch.

Schlimmer wird die Bewertung der Corona-Panik, wenn man ein paar mehr Kriterien in die Kalkulation einfließen lässt. Zum Beispiel das Alter, denn die 0,082 Prozent sind ein Durchschnittswert für die gesamte Bevölkerung. Mit zunehmendem Alter wirkt sich eine Corona-Infektion deutlich stärker aus.

Gut 57 Prozent der Bevölkerung sind unter 50 Jahre alt. In dieser Altersgruppe gab es in den letzten 12 Monaten 545 Todesfälle. Das sind 0,0011 Prozent oder anders ausgedrückt, einer von 95.000 Menschen. Wer keinerlei Vorerkrankungen aufzuweisen hat, verstirbt gar nicht, denn Untersuchungen zur Folge hatten alle Corona-Toten im Schnitt drei Vorerkrankungen.

Erst die Kombination hohes Alter und Vorerkrankungen sorgt für die schweren Verläufe der Krankheit. Wer über 80 Jahre alt ist hat ein Risiko von 0,8633 Prozent, daran zu versterben. Das ist einer von 116. Eine Infektion im Seniorenalter sollte daher unbedingt vermieden werde, was erfolgsversprechend nur außerhalb von Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern gelingt.

Aber was ist mit der Sterblichkeit? Immerhin werden aktuell über 71.000 Deutsche gezählt, die mit oder an Corona verstorben sind. Das muss man doch an der Statistik sehen, oder? Irgendwie nicht, denn in den letzten 15 Jahren ist die Zahl der Verstorbenen mit vier Ausnahmen immer gestiegen. Zuletzt ging es 2019 gegenüber den Vorjahr um 1,61 Prozent zurück. Immer nach einen Rückgang im Vorjahr legt die Zahl der Toten im Folgejahr um wenigstens 2 Prozent zu. Einen Anstieg um 2,54 Prozent gab es auch im Jahre 2020, aber auch nicht mehr. Das ist eine Steigerung von nicht einmal 23.800, als weit entfernt von den ca. 34.000 vermeintlichen Corona-Toten im selben Jahr.

Wären diese Menschen allein an COVID-19 verstorben, hätte die Zahl der insgesamt in Deutschland Verstorbenen für das Jahr 2020 bei ca. 997.350 liegen müssen. Das dies nicht eingetreten ist, hängt damit zusammen, dass von Hause aus sehr viele Menschen, vor allem Ältere, an Problemen aus den Bereichen Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen  sterben. Viele der Corona-Toten wären also auch ohne Infektion verstorben.

Überraschend hoch war übrigens im Jahre 2019 die Zahl der Menschen, die an psychischen und Verhaltensstörungen verstorben sind. Mit etwa 70.000 Toten lag diese Zahl ungefähr auf dem Niveau der aktuell  und offiziell als Corona-Opfer gemeldeten Toten. Durch das Einsperren der Menschen im Lockdown wird diese Zahl im Jahre 2020 kaum geringer ausgefallen sein. Von diesen Toten nimmt aber kaum einer Notiz.

Maßnahmen stehen in keinem Verhältnis

Vor allem, wenn man auf die psychischen Schäden bei jungen Menschen schaut, muss man sich Fragen, ob das Thema Corona-Pandemie die verantwortlichen Politiker eventuell erheblich intellektuell überfordert. Die Zahl der Anrufe bei Beratungsstellen für Jugendliche und Kinder haben sich im letzten Jahr mehr als verdoppelt. Wie sich das Aufwachsen in panischer Angst vor Infektion bei Nachbarn für die noch kleineren unter uns auswirkt, wagt noch gar keiner zu ermessen. Solche Collateral-Schäden komplett zu ignorieren, ist aber ganz sicher kein Beleg für die Tauglichkeit im Amt eines Ministerpräsidenten, Ministers oder Kanzlers.

Die bisher und weiterhin ergriffenen Maßnahmen eines fast kompletten Lockdowns des öffentlichen Lebens stehen in keinem Verhältnis  zu den gesundheitlichen Folgen, die eine Corona-Infektion für die Mehrheit der Bevölkerung haben wird. Andere Erkrankungen verlaufen weitaus tödlicher. Hier kommt sogar vereinfachend hinzu, dass in erster Linie Menschen ab dem 75. Lebensjahr besonders sorgsam zu schützen sind. Und genau das gelingt seit einem Jahr überhaupt nicht. Da kann man so viele Restaurants und Einzelhandelsbetriebe schließen wie man will, wenn auch weiterhin über ungetestetes und unhygienisches Personal in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser wehrlose Insassen infiziert werden.

Würde man statt alle zu inhaftieren, dies nur bei den über 75-jährigen tun, wären die Infektions- und Sterbezahlen deutlich geringer und wir meilenweit von einer Pandemie entfernt. Vor allem hätte man dann die Möglichkeit, eine funktionierende und taugliche App vorausgesetzt, bequem und verlässlich die Bereiche zu identifizieren, in denen Ansteckungen üblicherweise ablaufen. So durchlaufen wir eine Pandemie und können am Ende noch nicht einmal sagen, etwas gelernt zu haben.

Eines wissen wir aber jetzt: Wir haben verhältnismäßig schlechte Politiker, die über unsere Köpfe hinweg eine völligen Schwachsinn zusammen regieren.