November 30, 2024

Bauen in Deutschland – Wohnungen für wüste Zeiten

Auch ohne ein signifikantes Bevölkerungswachstum ist Wohnraum in Deutschland knapp. Das mag viele Gründe haben, Migranten sind es nicht. Allerdings flüchten weiterhin viele Menschen aus den immer noch nicht blühenden Landschaften im Osten.

Mit zunehmendem Alter und wachsenden Ansprüchen sorgt der Wunsch nach einer neuen Wohnung für Bewegung am Immobilienmarkt. Wer zudem Kinder hat oder Kinder erwartet, wird auch weiterhin das Häuschen am Stadtrand oder in den benachbarten Kleinstädten präferieren.

Wer kinderlos ist, aber gut verdient, den drängt es näher an die Innenstadt oder in einen hippen Stadtteil. Dort entsteht der gewünschte hochwertige Wohnraum dadurch, dass alteingesessene Mieter aus ihren Wohnungen geekelt oder geklagt werden, damit diese dann hochwertig saniert werden können. Ein probates Mittel der von der Politik eingerichteten Mietpreisbremse zu entgehen. Und so steigen die Mieten in deutschen Großstädten in abenteuerliche Höhen. Wohnen in der Stadt – das ist künftig der pure Luxus.

Wer sich die Großstadt nicht mehr leisten kann, sucht sein Glück in den Kleinstädten der Peripherie. Dort ist Verdichtung aber auch kaum noch möglich, was die Bauwut in Bereiche wandern lässt, die nicht nur Naturfreunden am Herzen liegen. Bäume müssen den Neubauten immer häufiger weichen, Wiesen werden in versiegelte Oberflächen umgewandelt, denn neben den Gebäuden braucht es auch immer wieder allerlei Stellplätze für die mobile Landbevölkerung.

Niedrige, kaum noch messbare Zinsen sorgen für billiges Baugeld und damit einen schon seit Jahren andauernden Bauboom. Ob das weitsichtig oder gar nachhaltig ist, darf bezweifelt werden. Inhaber von Bau- und Handwerksbetrieben werden aber gerade sehr reich.

Eine Branche in Goldgräberstimmung

Baufirmen und Handwerker verdienen sich gerade eine goldene Nase. Bauland und Häuser werden immer teurer, aber wenn die Zinsen niedrig sind, fällt das weit weniger ins Gewicht. Welche Wahl hat man auch schon?

Die Gemeinden haben in punkto Bauen eine fast uneingeschränkte Planungsautonomie, das heißt, sie können wo auch immer jede Art von Bauprojekt zulassen. Nur wenige Bundes- bzw. Landesgesetze stehen einem willkürlichen Treiben entgegen. Zwar hat gerade hier der Gesetzgeber wichtige Gesetze für die Bereiche Umwelt-, Natur- und Tierschutz in Kraft gesetzt, politisch werden diese aber gerade mit dem Wunsch nach neuen Wohnungen gleichwertig gesetzt.

Für die Bebauungspläne vorbereitenden Stadtverwaltungen stellen politischer Wille oder Gesetze seit je her keinen Hinderungsgrund dar, im Sinne des Investors zu agieren. Für die Mitarbeiter in den Stadtverwaltungen geht es immer nur um Einnahmen.  Eigene wie städtische, um es einmal klar zu formulieren. Weil aber die Stadtvertreter zumindest den Glauben behalten sollten, sie wären die Entscheidungsträger, werden die zur Abstimmung vorbereiteten Unterlagen für die Änderung eines Bebauungsplanes entsprechend präpariert. Neben der positiven Stimmungslage für den Wohnungsbau kann sich eine Stadtverwaltung sicher sein, dass die Stadtvertreter als Feierabendpolitiker nicht so genau alle Unterlagen durchlesen, wenn diese denn überhaupt studiert werden. Immer wieder kommt es vor, dass Stadtvertreter völlig unvorbereitet in Sitzungen gehen und dann einfach dem Votum ihrer Fraktion folgen. Wer nicht wirklich bis in die Haarspitzen engagiert ist, hat auf solchen Sitzungen schnell gelernt: Wenn sich zu viele Stadtvertreter zu Wort melden und neue Aspekte in die Runde werfen, kann so eine Sitzung ewig dauern. Wer also noch die Tagesthemen verfolgen möchte, hält besser die Füße still.

In der Sache ist das natürlich kein glücklicher Umstand. Bevor Diskussionen entstehen, folgen viele lieber der Vorlage der Stadtverwaltung, auch wenn diese einige fragliche Stellen aufweist. Und so wirken die „Überredungskünste“ der Investoren weiterhin nachhaltig und sorgen für Möglichkeiten auf Baugrundstücken, die es früher nicht gab, die Interessen der Nachbar ignorieren und die fernab von Vernunft liegen.  Auf der Strecke bleibt vor allem aber ein vernünftiger Umgang mit der Natur.

Lebensräume für heimische Tierarten werden weiter beschnitten. Insbesondere Bienen gehen schweren Zeiten entgegen, und was das für die Menschheit bedeutet hat schon Albert Einstein formuliert. Aber auch die Zahl der Bäume wird immer geringer. Zwar ist der Klimawandel existent und inzwischen für so gut wie jeden vernünftigen Menschen erkenn- und nachvollziehbar, das rettet den Wald  aber trotzdem nicht. In hunderten von Gemeinden wird Jahr für Jahr Wald gerodet, um dem Wohnungsbau Platz zu machen.

Die Fläche wird erheblich sein, darüber gibt es aber weder Untersuchungen noch irgendwelche Schätzungen. Aufgrund der Planungsautonomie der Gemeinden geschieht Vieles im Verborgenen. Die eigentlich zuständige untere Forstbehörde bekommt nichts mit, weil deren Beteiligung am Planungsprozess durch entsprechende Fehlauskünfte der Stadtverwaltungen verhindert wird. Da wird ein Wald einfach als Straßenbegleitgrün definiert und dies von den Forstbehörden ungeprüft übernommen. Wenn so eine Fehlbeurteilung erst einmal rechtskräftig geworden ist,. kommt man davon auch sehr schwer wieder los. Das Eingeständnis eigener Fehler ist für viele untere Forstbehörden ein zu großer Schritt.

Die Mitarbeiter der Stadtverwaltungen wissen wie es läuft und nutzen das schamlos im Sinne der Investoren aus. Mitarbeiter der Forstbehörden sind Schreibtischtäter und machen so gut wie nie Ortstermine.  Außerdem tut man ihnen als Stadtverwaltung geradezu einen Gefallen, wenn man zur Änderung eines Bebauungsplanes deren Stellungnahme so abfordert, dass eine Beantwortung mit zwei kurzen Sätzen abgehandelt ist:  „Eine Waldbeteilgung liegt nicht vor. Die Forstbehörde hat daher keine Bedenken bezgl. der B-Plan-Änderung.“

Die Stadtvertreter freuen sich, dass es weniger Probleme und damit Diskussionsbedarf gibt. Tagesordnungspunkte sind dann am Besten, wenn sie schnell erledigt werden können. Ein perfides System, in dem man den Stadtverwaltungen zu viel Macht gibt. Politik sollte von den gewählten Stadtvertretern gemacht werden. Eine Stadtverwaltung agiert nicht im Sinne der Bürger, sondern aus ganz eigenen Motiven. Eine jährlich steigende Verschuldung ist für viele Gemeinden kaum vermeidbar, da freut man sich über jeden Investor, der über Gebühren und Steuerabgaben das Stadtsäckel zusätzlich befüllt. Von den persönlichen Motiven der Verwaltungsmitarbeiter ganz zu schweigen.

Klimaschäden von ungeahntem Umfang

Wenn man vorsichtigt schätzt, dass pro Jahr in einer mittelstädtischen Gemeinde eine Waldfläche von 1.600 qm gefällt wird, kommt man der Realität vielleicht ein Stückchen näher. Es gibt in Deutschland 621 Mittelstädte, also Gemeinden mit 20.000 bis 100.000 Einwohnern. Bei größeren Städten gibt es wahrscheinlich nicht mehr so viel Wald zu roden, dafür werden aber auch alle kleineren Gemeinden unterhalb von 20.000 Einwohnern nicht mitgezählt. Im Ergebnis sorgt allein diese Schätzung  für eine Fläche von fast 1 Million Quadratmetern Wald (100 qkm). Weil jeder Baum einen volkswirtschaftlichen Wert hat, den man nach der Koch-Methode auch in Euro umrechnen kann, wird also jedes Jahr Wald im Wert von über 93 Millionen Euro durch Wohnungsbau vernichtet. Weil man sich einen gesunden Planeten nicht kaufen kann, sollten man sich vor Augen führen, wie viel CO2 ein Wald speichern kann. Durch die Rodung von 100 qkm Wald wird ein CO2-Speicher in Höhe von 100.000 Tonnen vernichtet. Die Bilanz ist noch schlechter, wenn man bedenkt, dass durch Waldrodung CO2 aus dem Boden freigesetzt wird.

Um es etwas bildlicher zu machen: Die gerodete Fläche Wald entspricht dem CO2-Ausstoß von 50.000 Müttern, die mit ihrem SUV das ganze Jahre ihre Kinder mit Vollgas von der Schule abholen. Bevor Sie also über besorgte Mütter lästern, nehmen Sie sich lieber einmal den von Ihnen gewählten Stadtvertreter zur Brust, und machen ihm klar, dass Wald unbedingt zu erhalten ist. Egal wie großzügig ein Investor scheint.

Wenn wir den Klimawandel verlangsamen wollen, um zumindest für unsere Kinder und Enkel eine Welt zu erhalten, in der zumindest auch bei uns noch Ackerbau betrieben werden kann, müssen wir jetzt handeln. Nach drei Jahren mit längeren Dürrezeiten in Folge ist zu befürchten, dass auch in Zukunft Böden austrocknen und Ernteerträge geringer ausfallen. Wenn das in Afrika passierte hat das jahrzehntelang niemanden interessiert. Jetzt kommen Trockenperioden aber auch zu uns und werden unsere Leben verändern. Eine geringe Chance auf eine Stabilisierung es Klimas gibt es noch. Ergreifen wir sie! Bereits vor Ort!