November 30, 2024

Das endlose Spiel mit den Indikatoren

Auch in Kalenderwoche 22 ist das Thema Corona allgegenwärtig und der Bedarf an Pressekonferenzen groß. Und so stellten sich auch am heutigen Dienstag, dem 1. Juni 2021, Gesundheitsminister Jens Spahn und RKI-Chef Lothar H. Wieler  den Fragen der Journalisten. Allerdings nicht ohne zuvor einen Lagebericht zu geben. Während die Tagesschau wieder nur die harmlosen Passagen veröffentlichte, haben es alle anderen Sätze des RKI-Orakels mal wieder in sich.

Besonders wichtig war es ihm zu erwähnen, dass es mit Blick auf die Zukunft nur zwei Varianten gibt: Man hat eine Impfung erhalten oder man ist schutzlos der Erkrankung durch das Virus ausgeliefert. „Dieses Wettrennen zwischen Durchseuchung und Impfung muss die Impfung gewinnen.“

Schon im letzten Jahr haben Fachleute den Begriff der Herdenimmunität propagiert. Wenn das menschliche Immunsystem mit einem Viruserreger klar kommt und genügend Antikörper produziert, um zumindest für eine gewisse Dauer gegen weitere Infektionen geschützt zu sein, warum soll dann einen Impfung besser sein, deren Langzeitfolgen bisher niemand abschätzen kann? Die Impfung über die natürlichen Abwehrkräfte zu stellen, ist eines Mediziners unwürdig und kann eigentlich nur mit Interessen jenseits des hippokratischen Eids erklärt werden.

Außerdem gibt die Darstellung, dass man nach erfolgter Infektion der Erkrankung durch das Virus schutzlos ausgeliefert sei, die Realität nur ungenügend wieder. Unzählige Menschen wurden zwar positiv getestet, zeigten aber keinerlei Symptome. Kaum geringer die Zahl derer, die bestenfalls leichte Grippeerscheinungen feststellen mussten. Tödlich endete eine Infektion mit COVID-19 nur für 2,4% der Infizierten, wobei man hier besser nach Altersklassen differenzieren sollte. Bei den unter 50jährigen lagen die Sterberaten nicht einmal im Promillebereich. Außerdem wurden in den Medien Fälle publik, wo eine Corona-Infektion bestenfalls Randerscheinung aber sicher nicht Todesursache war, darum heißt es ja auch immer, „Tote in Verbindung mit Corona“ und nicht „Tote durch Corona“. In der Statistik der Corona-Toten landeten dennoch unzählige Todesfälle, die niemals Folge einer Infektion waren – und das weltweit.

Mit der Darstellung, dass nur ein Geimpfter mit heiler Haut davon kommt, tut sich der Leiter des RKI weder sich noch seinem Ruf einen Gefallen. Wer unter den auftretenden Komplikationen einer Impfung zu leiden hatte, wird diese Ansicht ganz bestimmt nicht teilen.

„Die Ständige Impfkommission empfiehlt den Astrazeneca-Impfstoff nur noch für Menschen ab 60 Jahren. Zu groß sei das Risiko von gefährlichen Sinusthrombosen im Gehirn, vor allem bei jungen Frauen.“ (Quelle: SWR)

In Israel wurden Dutzende von Fälle von Herzmuskel-Entzündungen registriert. Pfizer selbst erklärte, die Erkrankungen seien „überwiegend bei jungen Männern aufgetreten“. (Quelle: Deutschlandfunk)

Während in den Zulassungsstudien für die mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 keine anaphylaktischen Reaktionen auftraten, wurde seit ihrer Einführung über vereinzelte anaphylaktische Reaktionen bei Geimpften berichtet. Die anaphylaktischen Reaktionen traten kurz nach der Impfung auf und mussten ärztlich behandelt werden.  (Quelle: RKI)

Warum riskiert jemand wie Lothar H. Wieler also seinen guten Ruf, um Menschen mit falschen Behauptungen und einseitigen Kommentaren zu einer Impfung zu animieren? Das macht man doch nicht ohne davon einen persönlichen Nutzen zu haben, oder?

Zurück zu den Aussagen der Pressekonferenz: Die Gesundheitsämter sollen das Aufkommen neuer Ausbrüche erfolgreich bekämpfen und sehr schnell eindämmen können. Wie machen das die Gesundheitsämter? Werden dort neuerdings Patienten behandelt?

Senkung der Risikobewertung

Immerhin wurde vom RKI die Risikobewertung für Deutschland von „Sehr hoch“ auf „Hoch“ zurückgestuft. „Leider sterben noch im Zusammenhang mit Covid-19 zu viele Menschen. In Deutschland sind es ca. 1.000 Menschen pro Woche“, wie Lothar Wieler weiter ausführte. Zum Vergleich: Im Jahre 2018 verstarben in Deutschland wöchentlich im Schnitt 1.379 Menschen an Atemwegserkrankungen (Quelle: Statistisches Bundesamt).

Ende Mai 2021 sind 18% der Deutschen zweifach geimpft. „Um weitgehend auf Maßnahmen verzichten zu können, müssen aber mehr als 80 Prozent der Menschen in unserem Land einen Impfschutz oder einen Immunschutz haben, also entweder durch eine vollständige Impfung oder durch eine „Infektion plus Impfung„. Hoppla: „Infektion plus Impfung“? Bekommen Erleichterungen bei den Corona-Maßnahmen nicht aktuell Geimpfte, Genesene und negativ Getestete? Wiese genügt die Genesung denn mit einmal nicht mehr? Im Ergebnis ist das doch zumindest theoretisch gleich. Während die Impfung den Schutz vor einer möglichen irgendwie gearteten Infektion bieten soll, hat das Immunsystem eines Genesenen eine tatsächliche Infektion erfolgreich bekämpft. Eigentlich sogar besser und wahrscheinlich auch hilfreich beim nächsten Kontakt mit einem ähnlichen Coronavirus.

Wie das RKI selber vermeldet, geben 72.6 Prozent der befragten Deutschen an, sich „auf jeden Fall impfen“ lassen zu wollen. Zusammen mit den 4,2 Prozent bislang Genesenen kommt man auf nur 76,8 Prozent. Will man die 80-Prozent-Quote erreichen, wird man bei den bislang Unentschlossenen weiter Druck aufbauen müssen, sei es durch Panik und durch Zermürbung durch eine weitere Verlängerung der Corona-Maßnahmen.

Neue und immer mehr Indikatoren für eine nie endende Pandemie

Um die Bevölkerung auch weiterhin mit restriktiven Corona-Einschränkungen zu zermürben, braucht es Messgrößen, mit der man der Politik ein Festhalten an den Maßnahmen erklären kann. Lothar H. Wieler hat dazu Folgendes ausgeführt:

„Hierbei wird besonders in Abhängigkeit des Anteil der intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Fälle an der Gesamtzahl der betreibbaren ITS Bettenkapazitäten geöffnet. Die Deeskalation richtet sich dort hauptsächlich nach diesem Indikator. Dieser Anteil soll möglichst rasch auf 3 Prozent oder darunter sinken. Da er langsamer auf Maßnahmen reagiert als die Inzidenzen, handelt es sich bei der Öffnung um einen von uns bewusst konservativ gewählten Indikator.“

Warum es 3 Prozent sein müssen, hat er nicht ausgeführt. Ein Blick auf die vom Intensivregister des RKI veröffentlichten Deutschlandkarte macht aber deutlich, worum es eigentlich geht:

Am dichtesten an dem Wunschwert liegt aktuell Schleswig Holstein mit einem Wert von 3,2 Prozent. Dafür gibt es dort einen Inzidenzwert von 18. In Baden Württemberg liegt der Inzidenzwert bei 47 und die Intensivbetten-Quote bei 13,1 Prozent. Wenn man diese Zahlen richtig deutet kommt man zu dem Ergebnis, dass dieser „neue Indikator“ eine andere Umschreibung für einen Inzidenzwert von unter 10 bedeutet. Nachdem die Politik weitestgehende Lockerung bei eine Inzidenz von unter 50 festgesetzt hat und sich somit Virologen, die schon vor Monaten von Zero-Covid und Covid-10 gesprochen haben, widersetzten, werden jetzt mit dem neuen Indikator auf die harte Linie zurechtgestutzt.

Weiterhin gelten diese Indikatoren wie zum Beispiel

  • die 7-Tage-Inzidenz,
  • die wöchentlichen Neu-Hospitalisierungen bei über 60jährigen,
  • der Anteil der nachverfolgbaren Kontaktpersonen,
  • der R-Wert,
  • das Auftreten neuer Varianten.

Aber auch weitere Faktoren können oder werden eine Rolle spielen, wenn es darum geht, ein Ende der Pandemie zu verhindern. „Wie immer spielt die Gesamtschau eine Rolle“, wie es der Wieler so schön formulierte. Und wenn auch das noch nicht reicht, werden einfach neue Indikatoren ins Spiel gebracht.

Und dann hat man als Hüter der Zahlen ja auch weiterhin alle Möglichkeiten, die Richtung zu bestimmen. Am 02. Juni 2021 wurde mit 1.785 Neuinfektionen 126 weniger registriert, als vor einer Woche, trotzdem stieg der Wert für die 7-Tage-Inzidenz von 35, 1 auf 35,2. Welche Berechnung liegt denn diesem Ergebnis zugrunde? Wenn der Wert eines Tages sinkt, kann doch der Durchschnitt der letzten 7 Tage nicht höher werden! Warum wundert sich an dieser Stelle keiner der Medien- und Pressevertreter?