April 19, 2024

Neubewertung der Lage stößt auf politischen Widerstand

Die Bewertung der Lage in der Pandemie wird mehr und mehr zum Problem. Zwar wurde der Lockdown als Mittel zur Bekämpfung der Pandemie an dem Ziel gekoppelt, unser Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Wie die Geschichte zeigt, war es das aber nie.  Die einschränkenden Maßnahmen der Politik gehören daher längst auf den Prüfstand und künftige sollten auf solideren Füßen stehen.

Die 7-Tage-Inzidenz ist der wichtigste Indikator für die Politik. Allerdings stellen aktuell die Krankenhäuser fest, dass die Zahl der Neuinfektionen keinen Einfluss mehr auf die Zahl der Krankenhausaufenthalte hat. Die Werte haben sich entkoppelt.

Nun gab es an keinem Tag der Pandemie seit März 2020 auch nur einen Tag, an dem die Bettenkapazität in deutschen Intensivstationen nicht mehr ausreichte. Trotzdem wurde weiterhin am Lockdown festgehalten, denn die Politik weiß, nur spürbare Einschnitte bringen Menschen dazu, sich anders zu entscheiden, als sie es normalerweise tun würden. Bei Influenza lag die Impfbereitschaft bisher bei lediglich 25 Prozent (50 Prozent in Risikogruppen). Dass im Falle Corona die Impfbereitschaft bei über 70 Prozent liegt, ist auch den Lockdowns und Ausgangssperren zu verdanken.

Damit diese Maßnahme immer wieder angeordnet werden können, braucht es einen einfachen, leicht manipulierbaren Parameter. Die 7-Tage-Inzidenz war dafür ideal. Wenn jetzt Fachleute wie Stefan Kluge, Direktor der Intensivmedizin am UKE Hamburg fordern, weitere Parameter wie die nicht manipulierbare Zahl der Intensivpatienten hinzu zu ziehen, bekommt die Politik ein Problem. (Quelle: Tagesschau, 03.08.2021)

Außerdem fordert der Hamburger Intensivmediziner genauer auf die Altersgruppen der betroffenen Infizierten zu schauen. Kritisch wird die Infektion mit Corona nur für die Gruppe der über 50-jährigen. Diese Gruppe verzeichnet aber die wenigsten Infektionen. Überwiegend betroffen von den Neuinfektionen sind Menschen bis zum Alter von 34 Jahren, die nur selten schwer erkranken und so gut wie kein Sterberisiko haben.

Dazu meint Reinhard Busse, Gesundheitssystemforscher der TU Berlin, dass seit Kurzem von den Krankenhäusern die neu aufgenommenen Covid-19-Patienten  direkt gemeldet werden müssen. Ernsthaft erst seit Kurzem? Das kann doch nur ein schlechter Witz sein. Die Politik spricht Berufsverbote aus, zwingt etliche Unternehmer zum Schließen ihres Betriebes, verhindert jegliche Umsätze und verhängt Ausgangssperren zum Schutz des Gesundheitssystems und versäumt dann gleichzeitig eineinhalb Jahre lang, das sammeln relevanter Daten?

Neben einer genauen Abbildung des Geschehens an deutschen Krankenhäusern fehlt es immer noch an Daten, wo sich Menschen infizieren, welche Maßnahmen einen sinnvollen Schutz darstellen und welche Situationen eine Infektion begünstigen würden. Wichtig wäre auch einen Zusammenhang zwischen Beruf oder Vorerkrankungen statistisch zu erheben. Alles das, wird seit 18 Monaten nicht unternommen. Aber im Blindflug lassen sich Lockdown und Ausgangssperren leichter Durchsetzen. Und die Verhinderung weiterer restriktiver Maßnahmen sind das beste Kriterium, sich für eine Impfung zu entscheiden. Die Politik weiß ganz genau, dass die Bevölkerung am Anschlag ist und nutzt dies schamlos aus.

Wenn jetzt neben der 7-Tage-Inzidenz weitere Kriterien berücksichtigt werden, bringt uns dies für den Herbst weiter von einem erneuten Lockdown weg, als eine Erhöhung der Impfquote. Aber die Politik ist erfinderisch. Dann braucht es eben eine Ypsilon-Variante von Corona, die alles bisherige in den Schatten stellt. Schon die Südafrika-Variante des Virus soll es in Südafrika nie geben haben. Mit den neuen Namen nach griechischen Buchstaben lässt sich der Schwindel mit der Herkunft aber wenigstens künftig nicht mehr aufdecken. Die Politik lernt ja auch aus ihren Fehlern.

Namensgebung als Chance

In der Politik werden ja gerne Maßnahmen und Regelungen nach den Personen benannt, die dafür verantwortlich sind. Riester-Rente und Hartz4 sind bekannte, wenn auch unbeliebte Beispiele. Da wird es höchste Zeit, politische Einschränkungsmaßnahmen nach den Ministerpräsidenten oder Gesundheitsministern zu benennen, die sich dabei besonders hervorgetan haben. Ausgangssperren sollten daher den Namen des Hamburger Oberbürgermeister Tschentscher tragen, der seine Bürger bereits ab 21 Uhr eingesperrt hat.

Der Stephan-Weil-Lockdown ermöglicht es dann insolventen Restaurantbesitzern, ihren Groll besser zu kanalisieren. Aber auch die Söder-Grenzschließungen bleiben mit Namensgebung unvergessen. Das nicht empfohlene Spritzen von Kindern sollte man Holetschek-Impfung nennen. Ein teurer Rohrkrepierer war auch die Spahn-App.

Vielleicht entdecken mit dieser Namensgebung ja doch noch einige Politiker so etwas wie ein Gewissen und den Auftrag, nur im Sinne ihrer Wähler zu entscheiden.