April 24, 2024

Todesfälle hausgemacht

In einer Pandemie ist die gesundheitliche Versorgung das zentrale Thema. Allerdings findet die Betrachtung nur sehr oberflächlich statt. Wer glaubt, dass der besondere Fokus auf Krankenhäuser die dort herrschenden Missstände auf den Tisch bringt, sieht sich aktuell noch getäuscht. Es werden zwar immer wieder Zahlen veröffentlicht, die die prekäre Situation in Krankenhäuser verdeutlichen, aber bisher haben diese zu keinen Konsequenzen geführt. Aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben. Ausgangspunkt ist eine Meldung über den Bericht der Barmer Krankenkasse.

Krankenhaus-Infektionen als Corona-Nebeneffekt im Norden

Als Nebeneffekt der Corona-Pandemie ist nach Angaben der Krankenkasse Barmer die Zahl der Krankenhausinfektionen in Schleswig-Holstein gestiegen. Aufgrund der Überlastung des Klinikpersonals sei es demnach dazu gekommen, dass Hygienestandards nicht immer eingehalten werden konnten. Außerdem sind in der ersten Welle vor allem ältere Menschen in die Kliniken gekommen, die grundsätzlich für sogenannte nosokomiale Infektionen anfälliger sind.

Definition:
Unter einer nosokomialen Infektion versteht man eine Infektion, die Patientinnen und Patienten im Zusammenhang mit einer medizinischen Maßnahme erwerben, die zum Beispiel in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder auch in ambulanten Praxen erfolgt ist.

Wie aus dem Barmer-Krankenhausreport hervorgeht, kam es von 2017 bis 2019 durchschnittlich bei ca. 5,6 Prozent der Patienten zu einer nosokomialen Infektion. Zu Beginn der Pandemie ist dann dieser Wert auf 6,8 Prozent gestiegen. Hochgerechnet auf alle Patienten in Schleswig-Holstein geht die Barmer von 1.000 zusätzlichen Infektionen und 40 Toten allein in den Kalenderwochen 13 bis 50 des vergangenen Jahres aus. (Quelle: Moin.de)

Fazit: Insgesamt bekommen bis zu 20.000 Patienten pro Jahr in schleswig-holsteinischen Krankenhäusern eine nosokomiale Infektion. Bis zu 500 Betroffene sterben an einer solchen Krankenhausinfektion. Im Jahre 2020 gab es in Schleswig-Holstein 427 Menschen, die mit oder an COVID-19 verstorben sind. Während diese Toten ein ganzes Land in die Panik treiben, ist die höhere Zahl an Opfern durch mangelnde Hygiene bei uns für niemanden ein Problem.

Die Todesfälle in Verbindung mit Corona haben sich übrigens im Jahre 2021 auf über 1.300 gesteigert.

Bundesweites Problem

Bei Wikipedia erfährt man einiges zu diesem Thema. Die Leiterin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an der Berliner CharitéPetra Gastmeier, schätzte die Gesamtzahl der nosokomialen Infektionen in Deutschland auf 400.000 bis 600.000 für das gesamte Jahr 2006 bei einer Letalität von 2,6 %, was rund 10.000 bis 15.000 Todesfällen pro Jahr entspräche. (Quelle)

Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) gibt hingegen deutlich höhere Zahlen an. (Quelle) Danach gab es im Jahr 2012 bei ca. 900.000 jährlich in Deutschland Infizierten bis zu 40.000 Todesfälle durch nosokomiale Infektionen. 2014 schätzte die DGKH jährlich 900.000 nosokomiale Infektionen, die zu 30.000 Todesfällen in Deutschland führten. Im folgenden Jahr korrigierte die DGKH ihre Zahlen nochmals nach oben und gab für das Jahr 2015 insgesamt 1.000.000 nosokomiale Infektionen im Rahmen der Versorgung von Patienten in deutschen Krankenhäusern an. (Quelle) Der Qualitätsbericht 2013 des AQUA-Institut geht für das Jahr 2013 von 975.000 nosokomialen Infektionen in Deutschland aus.

Nach Berichten von 2017 infizieren sich in Deutschland rund 3,5 Prozent der Patienten auf Allgemeinstationen mit einer Nosokomialen Infektion, auf Intensivstationen sind es 15 Prozent. Es wird deutschlandweit von 1.000 bis 4.000 Todesfällen durch multiresistente Erreger ausgegangen. (Quelle: Süddeutsche Zeitung)

Kuriose Impfempfehlung

Wer heute insbesondere als älterer Mensch vor einer schweren OP steht und ein Aufenthalt unter intensivmedizinischer Betreuung nicht auszuschließen ist, dem wird eine Corona-Impfung dringend ans Herz gelegt. Warum wohl? Leider gibt es keine Zahlen darüber, wie viele Patienten erst nach einem PCR-Test auf der Intensivstation in die Corona-Statistik aufgenommen wurden. Fälle also, bei denen aufgrund ganz anderer Ursachen eine Aufnahme in der Intensivstation nötig wurde und wo Corona zunächst keine und dann auch nur untergeordnete Rolle gespielt hat. Diese Fälle gibt es, aber genauer möchte das ein Krankenhaus mit Sicherheit nicht untersuchen.

Weil das Problem der mangelnden Hygiene hinlänglich bekannt und nicht nur von der Barmer Krankenkasse untersucht wurde, sollte es das Bestreben eines jeden Krankenhauses sein, diese Missstände abzustellen. Da dies offenbar seit Jahren nicht erfolgt, kann man von einer vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge sprechen. Vielleicht sollte irgendwann auch die Staatsanwaltschaft an diese Stelle ermitteln. Wenn Ärzte und Pflegepersonal versagen, ist das keine höhere Gewalt. Außerdem sollte das Bestreben von Politik und Justiz sein, Folgefälle zu vermeiden. Bis zu 4.000 Todesfälle pro Jahr sind ja auch nicht gerade wenig.