Was haben Schlagersänger und Autoverkäufer gemeinsam? Sie verdienen (oder vielmehr bekommen) ihr Geld, indem sie ihre Klappe möglichst weit aufreißen. Das ist durchaus legitim. Schließlich heißt die Devise: jeder wie er es am besten kann. Also sollen sie sich oder ihre Produkte in den höchsten Tönen loben und trällern was das Zeug hält.
Doch schütze uns vor dem Tag, an dem Schlagersänger und Autokäufer quasi ‚aus dem Stand‘ zu Unternehmern oder gar Chefs von Aktiengesellschaften werden. Dann droht Ungemach. Und den Aktionären Verluste ohne Ende. Ein Unternehmen lebt halt in erster Linie von Umsatz und Gewinn. Nicht von Selbstdarstellung. Nun haben wir gerade am Neuen Markt eine ganze Anzahl von Gesellschaften, deren Vorstände genau anders herum denken. Selbstdarstellung und notfalls Selbstüberschätzung sind offenbar das A und O.
Die erste Pleite am Neuen Markt ist fast schon wieder Geschichte. Die geprellten Aktionäre von Gigabell lecken ihre Wunden und halten es nun vermutlich (in Abwandlung) mit dem alten Adenauer: „man kann mir doch nich verübeln, dat ich was klücher jeworden bin“. Nicht nur klüger, auch ärmer wurden jene, die tatsächlich glaubten, dass ein Schlagersänger von heute auf morgen ein gewinnbringendes Telekommunikationsunternehmen aus dem Boden stampft. Es blieb beim Geldeinsammeln über die Börse…
Vor wenigen Wochen allerdings hätte niemand es für möglich gehalten, dass man ausgerechnet das einstige Vorzeigeunternehmen des Neuen Marktes, EM.TV, womöglich eines Tages in einem Atemzug mit Gigabell nennen würde. Nun ist es aber fast so weit. Der einst von Medienmogul Leo Kirch vom Autoverkäufer zum Medienmanager beförderte Thomas Haffa hat als Vorstandschef des Medienrechtehändlers EM.TV offenbar seit langem den Mund viel zu voll genommen. Und die Börse strafte dies erwartungsgemäß ab: Der Kurs verfiel seit seinem Allzeithoch von fast 120 Euro im Februar auf nun (5.12.) nur noch 8 Euro. Auf dem Börsenparkett spricht man schon von einem ‚Schlachtfest ohne Ende‘.
Dabei hatte sich das Unternehmen mit seinem Einkauf in die Formel 1 die Polposition erhofft. Aber offenbar hat man sich damit eher übernommen. Und viele großartig angekündigte andere Geschäfte müssen irgendwie in der Pipeline hängen geblieben sein. Denn den Ankündigungen folgten fast nie Taten. Nun erwägen Aktionärsschützer bereits Klagen gegen das Unternehmen und seinen Vorstand.
Wen wundert’s? Schon etwas merkwürdig, wenn ein Unternehmen zunächst einen Jahresgewinn aus dem operativen Geschäft von 600 Mio. Mark prognostiziert und dann kleinlaut einräumen muß, dass es nur 50 Millionen werden? Unter normalen Umständen kann man sich doch wohl kaum so verschätzen. Also hat man sich hoffnungslos überschätzt.
Nun ist Leo Kirch in die Firma seines einstigen Zöglings eingestiegen. Mit 550 Mio. US-Dollar. Dafür erhält er 17% an EM.TV und 50% an den Vermarktungsrechten der Formel 1. Dem Kurs hat’s nicht geholfen. Aber vielleicht hilft’s Leo Kirch. Er kommt so über die billigen Plätze direkt in die Boxengasse der Formel 1.
Ex-Autohändler Haffa wird wohl bald gehen müssen. Es bleibt zu hoffen, dass dies nicht auch für jene Anleger gilt, die ihr Geld bei seinem dem Vernehmen nach chaotisch geführten Unternehmen angelegt und verloren haben. Es reicht bei ihnen hoffentlich noch für einen Gebrauchtwagen. Aber Vorsicht: Man sollte einem Autoverkäufer nie alles glauben! Und auch, was ein Schlagersänger von sich gibt, hat selten etwas mit der Realität zu tun …
[S.K.]