Schon wieder wurde eine politische Karriere beendet, weil die betreffende Person bei der Erstellung ihrer Doktorarbeit offensichtlich einen sehr einfachen Weg gewählt hat und sich jetzt massiver Plagiatsvorwürfen stellen muss. Aktuellstes Opfer ist Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), die inzwischen von ihrem Amt zurück getreten ist.
Die SPD-Politikerin gab darauf diese Pressemeldung heraus: „In den letzten Tagen sind erneut Diskussionen um meine Dissertation aus dem Jahr 2010 aufgekommen. Nachdem die Freie Universität Berlin bereits im Jahr 2019 eine zweite Überprüfung der Arbeit vorgenommen und eine Entscheidung auf Nichtaberkennung des Titels getroffen hat, wurde das Verfahren im Jahr 2020 erneut aufgerollt. Dies geschah über ein Jahr nach dem abschließenden und rechtskräftigen Verwaltungsakt aus dem Jahr 2019. Ich habe daraufhin erklärt, meinen Titel nicht mehr zu führen, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens.“
Zunächst soll es nur eine Rüge von der Lehranstalt gegeben haben, was die deutsche Promotionsordnung aber gar nicht vorsieht. „Weil der Kern der Arbeit und ihre wissenschaftliche Leistung von den Mängeln nicht infrage gestellt“ wurde. Details zu den beanstandeten Textstellen in ihrer Arbeit nannte die FU Berlin allerdings nicht. Das Handelsblatt fragte daher nicht ganz zu unrecht im November 2020: „War die Rüge zur Doktorarbeit rechtmäßig?„.
Wenigstens 27 Plagiate soll Familienministerin Franziska Giffey in ihrer Dissertation heimlich eingebaut haben, Wikipedia wird als häufige Quelle genannt. „Ich bedauere, wenn mir dabei Fehler unterlaufen sind“, war die Reaktion der Politikerin, aber 27 solcher Stellen sind weniger ein Zeichen für zufällige Fehler, denn für klaren Vorsatz.
Wie Focus nachzulesen ist, soll die FU Berlin Giffeys Mogel-Doktorarbeit sogar mit Bestnote bewertet haben. Da schießt einem gleich der Name zu Guttenberg in den Kopf, dessen Doktorarbeit zunächst ebenfalls gelobt wurde (siehe unten). Neben den 27 Plagiatsstellen wurden noch weitere 29 geringfügige Mängel von den Gutachtern entdeckt.
Bankrotterklärung für den Wissenschaftsstandort Berlin
Für die Vertreter der Studenten und Studentinnen an der FU Berlin ist klar: An ihrer Uni wird mit zweierlei Maß gemessen. Inzwischen wird der Universität „politisches Kalkül“ vorgeworfen, wenn bei einer SPD-Politikerin Dinge zugelassen werden, die bei normalen Studenten zu Beanstandungen führten. (Quelle: Focus „Tatbestand der objektiven Täuschung“ erfüllt„)
Wenn es nach Franziska Giffey geht, war das aber noch nicht das Ende ihrer politischen Laufbahn. Sie will weiterhin als Spitzenkandidaten bei den nächsten Landeswahlen in Berlin antreten und die künftige Bürgermeisterin der Stadt werden. Daher twitterte sie: „Was meine Spitzenkandidatur für die Abgeordnetenhauswahlen in Berlin betrifft, habe ich immer klar gesagt: Die Berliner SPD und die Berlinerinnen und Berliner können sich auf mich verlassen. Dazu stehe ich. Mein Wort gilt. Als Berlinerin konzentriere ich mich jetzt mit all meiner Kraft auf meine Herzenssache: Ganz sicher Berlin.“
Wenn das Wort genauso gilt wie ihre schriftlichen Arbeiten, dann geht Berlin schweren Zeiten entgegen. Und wenn das Amt der Familienministerin keine Herzensangelegenheit war, welches Amt denn dann? Wer aus dem Thema Familie keinen Herzensthema machen will, hätte diesen Posten gar nicht erst antreten dürfen. Waren Gehalt und später folgende Pensionszahlungen auf Bundesministerniveau zu verlockend? Das werden doch die Fragen sein, die in Berliner Kneipen künftig gestellt werden. Neben einer angekratzten Ehre leidet Franziska Giffey scheinbar vor allem unter Realitätsverlust.
Keiner der vor ihr abgeschossenen Politiker, die wie sie über eine beanstandungswürdige Doktorarbeit gestolpert sind, haben danach noch politisch Karriere gemacht. So viel Gras kann gar nicht wachsen.
Eine lange Liste
Karl-Theodor zu Guttenberg, Ex-Verteidigungsminister (CSU): Aufgrund von Plagiaten entzog die Uni Bayreuth ihm 2011 den Doktortitel. Kurz darauf trat er von allen politischen Ämter zurück. Machte zuletzt beim Wirecard-Skandal auf sich aufmerksam.
Matthias Pröfrock, ehemaliger Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg (CDU): In der Doktorarbeit gab es »in nicht unerheblichem Maße« kopierte Textpassagen, ohne dass dies kenntlich gemacht wurden. Ergebnis: Die Universität Tübingen erkannte dem CDU-Mann im Juli 2011 seinen Jura-Doktor ab.
Silvana Koch-Mehrin, Ex-Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament: Koch-Mehrin soll großflächig abgeschrieben haben, ohne dabei Quellen zu nennen. Titelentzug im Jahre 2011.
Jorgo Chatzimarkakis, ehemaliger FDP-Politiker: Chatzimarkakis hat mit einer politikwissenschaftlichen Arbeit an der Universität Bonn promoviert. Er kämpfte noch kurz vor Gericht dafür, seinen Titel behalten zu dürfen, im Jahr 2011 war er dann weg.
Frank Steffel, Politiker und Mitglied des Bundestages (CDU): Die Internetplattform VroniPlag entdeckte als Erste die Plagiate des damals bekanntesten Christdemokraten in Berlin. Anfang 2019 hieß es dann Abschied nehmen vom akademischen Grad.
Eine umfangreichere Liste findet man bei Wikipedia.
Berlin: Das Elba der gescheiterten Giffey
Jetzt also Bürgermeisterin der Hauptstadt? In einer Stadt, in der Klaus Wowereit jahrelang trotz schlechtester Performance Bürgermeister sein durfte, scheint vieles möglich. Wie Gabor Steingart in seiner morgendlichen Kolumne schrieb, ist Berlin „die einzige deutsche Großstadt, in der das Scheitern schick ist und die gebrochene Biografie als Ausweis erhöhter Kreativität gilt“. (Quelle „Giffey: Rücktritt als Investment„)
Arm aber sexy, zurückgetreten aber wählbar, betrügerisch aber amtstauglich? In der Berliner SPD fehlen offensichtlich die personellen Alternativen, der Wahlkampf ist komplett auf Giffey zugeschnitten, zudem ist diese mit ihrer typischen „Berliner Schnauze“ äußerst beliebt bei den Bürgern. Laut SPD wurde eine mögliche Entscheidung zur Aberkennung des Titels bereits bei ihrer Kandidatur mit eingepreist, wie auch immer so etwas möglich ist. Unterschätzen sollte die ehemalige Volkspartei nicht, dass es bundesweit nur noch 15 Prozent Zustimmung für die aktuelle gelebte Art einer sozialdemokratischen Politik gibt. Das Personal spielt dabei eine nicht ganz untergeordnete Rolle. Es fällt schwer, Franziska Giffey und der SPD für die Zukunft alles Gute zu wünschen. Verfolgen sollte man deren Schicksal allerdings auch weiterhin.
Update: Die Giffey Familienbande
Die Affäre um den Ehemann von Ex-Familienministerin Franziska Giffey hat nach über einem Jahr jetzt ein schnelles Ende gefunden. Die Berliner Staatsanwaltschaft stellte das Betrugsverfahren gegen Karsten Giffey gegen eine Strafzahlung in Höhe von 10.000 Euro ein.
Das berichtete das Wirtschaftsmagazin „Business Insider“ am 02. Juni 2021. Schon im Januar 2020 waren schwere Betrugsvorwürfe gegen den Beamten öffentlich geworden. Die Richter des Verwaltungsgerichts in Berlin urteilten, dass Karsten Giffey systematisch und mit Vorsatz bei seinen Arbeitszeiten und Reisekostenabrechungen betrogen habe. Die Vorwürfe gegen den Berliner Amtsveterinär waren dabei so schwerwiegend, dass nicht nur die Berliner Staatsanwaltschaft ein Verfahren einleitete, sondern auch die zuständige Senatsverwaltung Giffey aus dem Beamtenverhältnis entfernen lassen wollte.
Insgesamt 54 Mal hatte Karsten Giffey im Jahr 2016 während seiner Arbeitszeit unerlaubt Vorträge und Seminare gehalten. Insgesamt werden ihm mehr als 151 Fehlstunden zur Last gelegt. Schummeln scheint in der Familien-DNA der Giffeys zu liegen. Ob das zur Wahl als Bürgermeisterin reichen wird, ist mehr als fragwürdig.