November 28, 2024

Wenn einer eine Reise tut …

„Sehr verehrte Fahrgäste, in wenigen Minuten erreichen wir Stuttgart Hauptbahnhof – vermutlich auf Gleis 15. Sie haben Anschluss an einen RegionalExpress nach Tübingen, Abfahrt 17.52 Uhr vermutlich von Gleis 9, einen StadtExpress nach Schwäbisch-Hall-Hessenthal, Abfahrt 17.39 vermutlich von Gleis 16…“ Unwillkürlich kommt mir der Gedanke, ich könnte das Wort ‚vermutlich‘ möglicherweise zu Beginn der Ansage überhört haben. Lautete die Durchsage etwa: „… in wenigen Minuten erreichen wir vermutlich Stuttgart“..? Man kann ja nie wissen. Schon gar nicht bei der Bahn.

Am gleichen Morgen im ICE Richtung Frankfurt. Nach dem Sprint von einem hoffnungslos verspäteten Regionalzug in Richtung ICE: Kaffeedurst. Der unbändige Wunsch nach einem Muntermacher. Ort der Handlung: das Bordbistro der Mitropa. Erst Sitzplatz gesichert. Dann den Schritt entschlossen zum Tresen gelenkt und Bestellung aufgegeben – und die Enttäuschung kassiert. „Es tut mir leid, es gibt keinen Kaffee. Die Maschine reinigt sich. Das kann noch eine dreiviertel Stunde dauern.“ Auf die Frage, ob denn ausgerechnet der frühe Morgen der richtige Zeitpunkt sei, die Kaffeemaschine zu reinigen, die Antwort: „Wir haben auf den Zeitpunkt leider keinen Einfluss. Das macht die Maschine automatisch.“

Na, irgendwie wundert es einen nicht, dass die Mitropa keinen Einfluss auf die Zeit hat. Diesen Eindruck hat man angesichts der Verspätungen auch von der Mutter Bahn… Oder wie man es auch formulieren kann: der Fahrplan ist eben nur eine Orientierungshilfe.

Ein Mitreisender erzählt mir, dieser morgendliche Kaffeemangel sei kein Ausnahmefall. Er hätte sich deshalb angewöhnt sich vom Bahnhof einen Becher Kaffee mitzubringen. Allerdings gäbe dies hin und wieder Ärger. Wenige Tage zuvor sei er von dem Stewart der Mitropa in einem barschen, nur durch die sächsische Mundart etwas gemilderten Ton darauf hingewiesen worden, dass es nicht erlaubt sei, im Bordbistro mitgebrachte Getränke zu konsumieren. Auf die Frage, ob er denn Kaffee anzubieten habe, wurde der besagte Stewart dann allerdings etwas kleinlaut. Nein, hieß es, es täte ihm ja wahnsinnig leid, aber die Maschine reinige sich gerade…

Den Gipfel dieses Tages (nur einer meiner vielen) auf der Bahn war dann in Frankfurt die Geschichte, die ich bislang nur in einem Werbespot ‚miterlebt‘ hatte. (Der Werbespot war natürlich nicht von der Bahn…) Am Nachbargleis warten Hunderte von Reisenden auf einen IC. Verteilt über den ganzen Bahnsteig. Und der ist lang! Eine halbe Stunde lang wird ihnen per Lautsprecher mitgeteilt, dass der Zug Verspätung hat. Erst sind es zehn Minuten, dann ist es eine viertel Stunde, dann sind es 25 Minuten. Kurz bevor der Zug dann glücklich einläuft, kommt die Durchsage: „Der Intercity Drachenfels nach München läuft nun ausnahmsweise auf Gleis 7 ein. Achtung Reisende auf Gleis 9, ihr Zug verkehrt heute auf Gleis 7!“ Eine Völkerwanderung beginnt. Reisende, die in den vorderen 2.-Klasse-Wagen – also weit weit außerhalb der Bahnhofshalle – reserviert hatten, legen ein abendliches Fitness-Programm ein und hetzen den gesamten Bahnsteig des Kopfbahnhofes hoch, um auf dem nächsten Bahnsteig den gleichen Dauerlauf in die entgegengesetzte Richtung hinzulegen, um ihren Zug und ihren Platz noch zu bekommen. Wer IC- und ICE-Zuschlag bezahlt, spart eben den Beitrag für ein Fitness -Studio. Hat ja auch ‚was.

Wenige Tage nach diesem erlebnisreichen Tag kam die Nachricht von Milliardenlöchern in der Bilanz der Bahn und dass deren Börsengang nun auf unbestimmte Zeit verschoben werden müsse. Als ob irgend jemand ernsthaft damit gerechnet hätte, dass die Bahn irgendwo und dann auch noch ausgerechnet an der Börse pünktlich ankommen würde! Doch nicht die Bahn!

[S.K.]