April 19, 2024

Gesocks im Ultra-Block

„Milliardäre hofieren statt die Lösung gesellschaftlicher Probleme zu forcieren – Scheiß DFB“

Die Transparente und Schriftbänder in deutschen Fußballstadien werden immer blöder. In welcher Weise hofiert der DFB denn Dietmar Hopp? Der Mann ist Milliardär und über 70 Jahre alt. Was kann der DFB diesem Mann denn bieten? Viel schlimmer aber die Forderung, dass der DFB nicht bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme behilflich ist.

Zum einen ist das nicht die Aufgabe des DFB, zum anderen haben die schon genug Probleme ihren eigenen Betrieb anstandslos am Laufen zu halten. Gerade beginnt der Prozess um die sechseinhalb Millionen Schmiergelder im Zuge der Fußball-WM 2006. Im Vergleich zum Treiben der FIFA sind diese überschaubaren Bestechungsgelder ein ziemlicher Pipifax, den naiven Fußball-Fan hat diese Meldung aber schon getroffen..

Zurück zu den Ultras: Wenn es zuhause nicht mehr so richtig läuft, man erkennen muss, dass Schulbildung durch nichts zu ersetzen ist und dann auch noch die eigene Fußballmannschaft die Saisonziele wieder einmal verfehlt, greift man zum extra dicken Edding, zerschneidet Muttis Bettlaken und erstellt Schriftbänder mit beleidigenden Aussagen. Wer die Großen auf dieser Welt nur schlimm genug beleidigt, kann sich dadurch zumindest unter Seinesgleichen selber groß und besser fühlen. Was für ein erbärmliches Dasein.

Es gäbe beim Fußball weiß Gott genug zu kritisieren, aber bei Kritik darf es nicht nur um das WAS gehen. Über den Erfolg einer Kritik entscheidet vor allem das WIE. Der Zweck heiligt eben nicht alle Mittel.

Bei aller Diskussion über die Ultra-Fan-Szene im Fußball darf man eines nicht vergessen. Die harten Strafen gegen einige Vereine oder Blöcke in Stadien wurden nicht ausgesprochen, weil einige schlecht Gesungen haben. Es ging immer um beleidigende Schriftzüge und verächtliche Gesänge. Jemanden als Hurensohn zu bezeichnen ist keine gute Voraussetzung für einen konstruktiven Dialog.

Beliebtestes Opfer in all den Jahren war und ist Dietmar Hopp, der Förderer vieler Sportvereine und speziell der TSG Hoffenheim. Um die Legende zu befruchten, dass es ja gar nicht um den Mann persönlich geht, wurden jetzt beim Spiel Gladbach gegen Dortmund auch zusätzlich Portraits der Funktionäre Rainer Koch, Fritz Keller und Karl-Heinz Rummenigge sowie Hopp-Anwalt Christoph Schickhardt gezeigt. Ihre Konterfeis inklusive Clownsnasen wurden in der BVB-Kurve gezeigt, untertitelt mit der Zeile: „Die hässlichen Fratzen des Fußballs“. Auf Seiten der Gladbacher war zu lesen: „Der Präsident als Symbolfigur – ein Verband im Keller.“

Ohne Fadenkreuz und direkte Schmähungen gegen Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp haben bereits zuvor die Fans von Schalke 04 beim Spiel gegen die TSG auf die Vorkommnisse vor einer Woche reagiert. Kurz nach dem Anpfiff entrollten sie Transparente mit dem Satz: „Wir entschuldigen uns bei allen Huren, sie mit Herrn Hopp in Verbindung gebracht zu haben.“ Das ist nicht wirklich originell, aber auf Schalke hatte Verstand noch nie etwas zu suchen. Das ist ein Malocher-Club und genauso schmutzig geht es da auch zu.

Nur Schwachköpfe wählen eine solche Strategie

Unterstellen wir mal, den Ultras geht es nicht darum, sich an einem verhassten Milliardär abzuarbeiten, sondern allein um gesellschaftskritische Belange und die vom DFB verhängten Strafen gegen Blöcke und ganze Vereine. Dann ist es doch eine völlig schwachsinnige Idee, mit genau dem, was die Strafen ausgelöst hat, jetzt erreichen zu wollen, dass es künftig diese Strafen nicht mehr gibt. Das wäre genauso, als wenn ein Bankräuber hoffen würde, er müsse nur lang genug Banken überfallen, bis ihm dann irgendwann alle mit diesen Taten einhergehenden Strafen erlassen werden.

Schön wäre es, an dieser Stelle sich daran zu erinnern, warum ganze Fan-Blöcke oder im Extremfall komplette Auswärtsspiele für Fans gesperrt wurden. Für die Beleidigungen und Tötungswünsche sind immer nur einige wenige verantwortlich, die sich durch Tragen von Sturmhauben und anderen Vermummungstechniken kennzeichnen. Wenn diese Typen selber der Meinung wären, dass ihre Aktionen ein Akt der Meinungsfreiheit ist, würden sie sicher nicht ihre Identität verbergen. Leider haben sich bisher alle Fans in diesen Ultra-Blöcken mit diesen Chaoten solidarisiert und deren Identität nicht verraten. So etwas nennt die Justiz dann Mittäterschaft. Es liegt also keine Sippenhaft vor, wenn der DFB zu extremen Strafmaßnahmen sich genötigt sieht.

Kritik durchaus erwünscht

Es geht nicht darum, kritische Fans mundtot zu machen. Kritik ist erlaubt, d.h. das Hinweisen auf Missstände, wenn man dabei auf persönliche Beleidigungen verzichtet und nicht jemandem persönlich den Tod wünscht. Und diese nicht zu beanstandende Kritik gab es natürlich auch am letzten Spieltag.

Ein wenig mehr Inhalt, Meinungsäußerung und berechtigte Kritik gab es z.B. beim Spiel Hertha gegen Bremen: „Schmiergelder, Kollektivstrafen, Tote in Katar – wer die hässliche Fratze des Fußballs ist, ist klar“. Auch beim Spiel Leverkusen gegen Frankfurt waren Banner zu sehen. Auf einem Plakat stand beispielsweise: „Spieltagszerstückelung, Kollektivstrafen, Lügen. DFB, die Feinde des Fußballs.“ In Freiburg war folgendes auf den Bannern zu lesen: „Zurück zu Kollektivstrafen, Rassismus relativiert, bewusst eskaliert: Fritz Keller – nichts kapiert!“. Hier richtete sich die Kritik der Freiburger an Ex-Freiburg- und DFB-Präsident Fritz Keller, war aber nicht beleidigend.

Wenn sich Ultras zu Wort melden: verbale Bengalos

Nicht nur die Medien berichten über die Revolte in den Fan-Blöcken. Auch die Ultras selber melden sich in Talk-Shows zu Wort oder veröffentlichen Statements auf ihren Websites. Hier wird dann versucht, mittels eines wahrscheinlich von fremder Hand geschriebenen Textes den Eindruck zu erwecken, dass in den Ultra-Blöcken neben Bengalos auch gute Ideen gezündet werden.

Bisher jedenfalls nicht. Dafür schreibt man einem Dietmar Hopp, dass er hoffentlich kein weiteres Weihnachtsfest erleben werde. Auch Anspielungen auf die NS-Vergangenheit von Dietmar Hopp sind unterste Schublade.

Keiner aus der Ultra-Szene hatte bisher das Zeug als „Martin Luther King des Fußballs“ bezeichnet zu werden. Dafür braucht man Hirn und echte Argumente. Aber hübsch singen können die Fans und die von ihnen verbreitete Stimmung ist dazu in der Lage, die eigene Mannschaft anzuspornen. Auch sind Ultras eine reisefreudige Spezie und begleitet die eigene Mannschaft bei Auswärtsspielen zur Not bis nach Nowosibirsk. Natürlich tun sich die Vereine da schwer, gegen die eigenen treuen Fans vorzugehen. Aber dafür gibt es ja dann den übergeordneten Verband, der die Rolle des Buhmanns einnimmt.

Ohne den Verband gäbe es zudem den gesamten Spielbetrieb nicht. Konstruktive Kritik könnte daher helfen, in Zukunft vieles besser zu machen. Morddrohungen und üble Beleidigungen unterhalb der Gürtellinie tun das nicht. Und weil im Zeitalter der Verrohung und Aggression mittels sozialer Medien der Umgang miteinander gerade etwas aus dem Ruder läuft, leistet der DFB mit seinen Strafen zumindest in seinem Einflussbereich einen kleinen gesellschaftlichen Beitrag. Es bleibt zu hoffen, dass es bei dieser harten Gangart gegenüber wertelosen Krawallochsen bleibt.

Mit Erstaunen muss man nämlich feststellen, dass einige Botschaften und Erklärungsversuche der Ultras auf Seiten der Medien inzwischen auch positive Reaktionen hervorrufen. Zum Glück nur bei einigen Vertretern des Senders sky, denn die verstehen von überhaupt nichts auch nur irgendetwas.  Darum fährt dieser Sender wohl auch demnächst krachend an die Wand, wenn man ab 2021 nur noch die Übertragungsrechte für die österreichische erste Liga hat. Die Champions League hat man bereits verloren und für die Übertragungsrechte der Bundesliga gibt es potente Mitbieter.